ZeugIn GEGEN die Anklage – und auch gegen sich selbst?
Das Landgericht Karlsruhe deutet [im Radio Dreyeckland-Prozeß] an, daß sich einE ZeugIn […] selbst belastet habe
Pressemitteilung in eigener Sache (genauer: betreffs der eigenen Person).
Siehe: labournet.de vom 02.05.2024
(„5. Verhandlungstag gegen Fabian Kienert, RDL, am 30.4.24“)
Schaubild 1: Solidarität gegen das Verbot von linksunten.indymedia und mit betroffenen Journalist:innen (auch von RDL)! (labournet.de; Stand: 02.05.2024)
Am Dienstag[, den 23.04. …] sagte der/die Berliner PolitikwissenschaftlerIn und freie AutorIn (u.a. taz-Blogs) Detlef Georgia Schulze vor dem Landgericht Karlsruhe im Prozeß gegen den Radio Dreyeckland-Journalisten Fabian Kienert aus.1 Der Kerngehalt von Schulzes Aussage war: „Ich hatte das nötige Wissen, um mir noch am Morgen des Tages des linksunten-Verbotes (25.08.2017) den Datenbestand der Webseite zu besorgen. Ich hatte auch ein politisches Interesse an den Daten / Inhalten und deren öffentlicher Zugänglichkeit.“
Hintergrund der Aussage war der Streit, ob das linksunten-Archiv 2020 unbedingt von dem alten linksunten-BetreiberInnenkreis veröffentlicht worden sein muß oder ob es auch von beliebigen anderen Leute, die das nötige Wissen hatten, erfolgt sein kann.
Darauf kommt es deshalb an, weil dem RDL-Journalisten Fabian Kienert vorgeworfen wird, durch eine Link-Setzung auf der Archiv der Webseite linksunten.indymedia einen verbotenen Verein (nämlich den alten BetreiberInnenkreis der Webseite) unterstützt zu haben.
Wurde aber das Archiv von irgendwelchen anderen Leute (z.B. von ZeugIn Schulze) ins Internet gestellt, und gibt es auch sonst keine Beweise für den Fortbestand des verbotenen Vereins, so kann Kienert auch keinen verbotenen Verein unterstützt haben. Schon das Oberlandesgericht Stuttgart entschied in seinem Beschluß zur Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens gegen Kienert: „eine nichtexistente Vereinigung [kann] nicht unterstützt werden kann“ (OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.06.2023 zum Az. 2 Ws 2/23; https://www.landesrecht-bw.de/perma?d=NJRE001546409, Textziffer 47)
Inzwischen hat Schulze erfahren, daß von Seiten des Gerichts am Tag nach seiner/ihrer Aussage gesagt worden sei, Schulzes Aussage sei „reine Selbstbelastung wegen Verzichts auf Zeugenbeistand“ gewesen.
Schulze nahm dies jetzt zum Anlass, seine/ihre Aussage zu bekräftigen und außerdem folgende These aufzustellen und zu begründen: „Die Archiv-Veröffentlichung ist – sofern sie nicht gerade durch den verbotenen Verein, sondern z.B. von dem/der Unterzeichnenden erfolgt sein sollte – vollständig legal. Die Sorge des Landgerichts Karlsruhe um die ohne Beistand/Beständin erschienene ZeugIn ist zwar nett, aber überflüssig.“
Schulze begründet seine/ihre Rechtsauffassung folgendermaßen:
Das linksunten-Archiv wurde Mitte Januar 2020 – wenige Tage vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu dem linksunten-Verbot veröffentlicht (siehe z.B.: Die Zeit vom 29.01.2020).
Die §§ 85 (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot), 86 (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) und 86a (Verwenden von Kennzeichen von verfassungswidrigen und terroristischen Organisationen) setzen ein bereits „unanfechtbar[es]“ Verbot voraus.
Das linksunten-Verbot wurde aber erst mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2020 „unanfechtbar“.
Folglich waren die § 85 bis 86a StGB auf die Archiv-Veröffentlichung Mitte Januar noch nicht anwendbar.
Nun gibt es aber auch noch § 20 Vereinsgesetz; dort reicht ein „vollziehbare[s]“ Verbot aus; vollziehbar war das linksunten-Verbot von Anfang an.
Trotzdem seien aber auch die dortigen Straftatbestände durch die Veröffentlichung des linksunten-Archivs nicht verwirklicht worden, so Schulze:
Genauso wie §§ 85 bis 86a StGB setze auch § 20 Vereinsgesetz voraus, daß der verbotene Verein zum vermeintlichen Tatzeitpunkt noch existierte.
Wurde das linksunten-Archiv aber nicht von dem alten linksunten-BetreiberInnenkreis, sondern von irgendeiner anderen Person (z.B. von Schulze selbst) veröffentlicht, so deute nichts auf einen Fortbestand des verbotenen Vereins hin (siehe z.B. Soliwelle Dreyeckland vom 28.04.2024; Radio Dreyeckland vom 25.04.).
Hinzukomme: Das Bundesinnenministerium beansprucht, einen angeblichen „Verein ‚linksunten.indymedia‘“ verboten zu haben. Ein Verein diesen Namen gebe nicht nur nicht mehr, sondern ein Verein diesen Namens habe es niemals gegeben, so Schulze. Wie sich auch aus der Begründung der Verbotsverfügung des Innenministeriums ergebe, hatte der BetreiberInnenkreis von linksunten.indymedia vielmehr „IMC Linksunten“ (Independent Media Centre Linksunten) geheißen. Das linksunten-Verbot sei also vollständig ins Leere gegangen.
Schließlich: Selbst wenn die Veröffentlichung des linksunten-Archivs eine Straftat darstellen würde, so wäre diese jedenfalls bereits verjährt.
Der Strafrahmen in § 20 Vereinsgesetz beträgt „Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder […] Geldstrafe“. Für Straftaten mit einem Strafrahmen von bis einem Jahr beträgt die Verfolgungsfrist gem. § 78 Absatz 3 Nr. 5 StGB drei Jahre.
Alle Handlungen, die bis zum 29.01.2020 ausgeführten wurden, sind also unter dem Gesichtspunkt des § 20 Vereinsgesetz bereits verjährt. Etwaige Ermittlungsverfahren, die jetzt erst – zum Beispiel gegen Schulze – eingeleitet werden, würden zu spät eingeleitet, so Schulze, der/die frohen Mutes ist, unbestraft zu bleiben.
4 Seiten von Schulze an das Landgericht Karlsruhe
15 Seiten von Schulze an das für ihn/sie örtlich zuständige Amtsgericht Berlin-Tiergarten
1 Siehe das Interview dazu in der Ausgabe vom 30.04.2024 des Schweizer untergrundblättle: https://www.untergrund-blättle.ch/gesellschaft/medien/das-archiv-von-linksunten-indymedia-gericht-karlsruhe-008396.html.